Erste Rheticus Mathematiktagung "Problemlösen im Mathematikunterricht mit oder ohne KI" in Feldkirch (Vorarlberg, Österreich)
vom 24. September – 26. September 2026
Problemlösen gilt als zentrale mathematische Kompetenz – so ist sie im österreichischen Lehrplan, in den nationalen Bildungsstandards und in internationalen Vergleichsstudien wie PISA explizit als eine der allgemeinen/prozessbezogenen mathematischen Kompetenzen verankert. Doch trotz dieser normativen Verortung zeigen empirische Studien eine große Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität: Viele Schüler*innen haben Schwierigkeiten nicht-routinemäßige Aufgaben zu lösen. Ein Problem beginnt nach Definition erst dann, wenn der Lösungsweg nicht sofort ersichtlich ist, sondern Strategien zur Lösung entwickelt werden müssen. Forschungsergebnisse zeigen, dass problemorientierter Unterricht eine systematische Vermittlung von Problemlöseheuristiken und -prinzipien erfordert. Im Fokus soll dabei vor allem das Lernen durch Problemlösen stehen und nicht nur das Abarbeiten von Routinen oder bekannter Verfahren.
Im Bildungsbereich und in der schulischen Praxis gewinnt dieses Thema an Bedeutung, da KI-Systeme verstärkt in allen Lebensbereichen zur Lösung von Routineaufgaben eingesetzt werden. Es stellt sich daher die Frage nach den Konsequenzen für den Mathematikunterricht. Vor allem in der Sekundarstufe bietet ein bewusster Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) die Chance, einen reflektierten Umgang damit zu erlernen und den Unterricht stärker auf Problemlösen, Modellieren und Argumentieren auszurichten.
Die Tagung bringt Akteur*innen aus Forschung, Schule und Lehrer*innenbildung zusammen. Diskutiert werden sowohl theoretische Grundlagen als auch praxisnahe Unterrichtsbeispiele, um zu einem Paradigmenwechsel im Unterricht der Primar- und Sekundarstufe – mit oder ohne KI – beizutragen. Hauptvortragende der Tagung sind Prof.in Dr.in Nina Sturm (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg) und Prof. Dr. Ingo Witzke (Universität Siegen).
Wir laden zu wissenschaftlichen Beiträgen oder praktischen Workshops zu folgenden Themenbereichen ein:
- Problemlösen als Kompetenz im Unterrichtsgeschehen (mit oder ohne KI)
- Heuristiken und Strategien im problemorientierten Lernen (mit oder ohne KI)
- Didaktische Konzepte und Materialien zur Förderung von Problemlösekompetenz (mit oder ohne KI)
- Rolle der Lehrperson beim problemorientierten Lernen (mit oder ohne KI)
Wir freuen uns sehr, Sie im September 2026 an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg in Feldkirch begrüßen zu dürfen.
Vorläufiges Programm der Tagung
| Donnerstag, 24.09.2026 | |
| 18:30 | Eröffnung und Empfang mit öffentlichen Vortrag über Georg Joachim Rheticus |
| Freitag, 25.09.2026 | |
| 9:00-10:30 | Wissenschaftliche Sessions zum Tagungsthema |
| 10:30-11:00 | Kaffeepause |
| 11:00-12:30 | Wissenschaftliche Sessions zum Tagungsthema |
| 12:30-14:00 | Mittagspause |
| 14:00-15:00 | Hauptvortrag (Prof. Dr. Nina Sturm, PH Ludwigsburg) |
| 15:00-16:00 | Hauptvortrag (Prof. Dr. Ingo Witzke, Universität Siegen) |
| 16:00-16:30 | Kaffeepause |
| 16:30-18:00 | Workshops bzw. wissenschaftliche Sessions |
| 19:00-00:00 | Gesellschaftsabend |
| Samstag, 26.09.2026 | |
| 9:00-10:30 | Workshops bzw. wissenschaftliche Sessions |
| 10:30-11:00 | Kaffeepause |
| 11:00-12:30 | Workshops bzw. wissenschaftliche Sessions |
| 12:30 | Abschluss |
Theoretischer Hintergrund: Problemlösen im Mathematikunterricht mit oder ohne KI
Die geplante Tagung „Problemlösen im Mathematikunterricht mit oder ohne KI“ befasst sich mit einem der zentralen didaktischen Prinzipien der Mathematik und seiner fundamentalen Neuausrichtung durch den Einzug künstlicher Intelligenz (KI). Das Problemlösen ist seit langem als überfachliche Schlüsselkompetenz anerkannt und wird durch aktuelle technologische Entwicklungen in seiner Bedeutung nochmals verstärkt.
Problemlösen als Kernkompetenz im österreichischen Lehrplan
Im österreichischen Lehrplan und in den nationalen Bildungsstandards ist das Problemlösen (AK4) explizit als eine der allgemeinen/prozessbezogenen mathematischen Kompetenzen prominent verankert, die sowohl für die Primarstufe als auch für die Sekundarstufe zu fördern ist. Dies schließt in der Volksschule beispielsweise das "spielerische Umgehen mit Zahlen und Operationen" sowie das (Er-)Finden und Anwenden heuristischer Strategien am Ende der 4. Schulstufe ein (BMUKK, 2012; BIFIE, 2011b). In der Sekundarstufe sind Formalisierung, Modellbildung und Abstraktionsvermögen als wesentliche Voraussetzungen für die Problemanalyse und -lösung zu vermitteln. Die Wichtigkeit des Themas wird auch dadurch unterstrichen, dass das Problemlösen in internationalen Studien wie PISA eine eigene Testdomäne darstellt (Holland, 2007, PISA2025).
Die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis
Trotz dieser normativen Verankerung in Lehrplänen und Bildungsstandards zeigen empirische Studien – wie PISA und TIMSS – sowie Qualitätsanalysen, dass Schülerinnen und Schüler oft nicht in der Lage sind, Problemaufgaben zu lösen (Kuzle & Gebel, 2017). Es existiert eine eklatante Diskrepanz zwischen den lehrplanmäßigen Vorgaben und der Umsetzung im Unterricht (Kuzle & Gebel, 2017). Ein Problem beginnt nach Definition erst dann, wenn eine Aufgabe für den Adressaten ungewohnt oder individuell als schwierig empfunden wird und der Lösungsweg nicht sofort offensichtlich ist, sondern Strategien erst entwickelt werden müssen (Bruder & Collet, 2011).
Insbesondere in der Primarstufe wird beobachtet, dass Lernende nur sparsam oder gar nicht auf externe Repräsentationen zurückgreifen und in der Regel beim Lösen auf Routinen und die Reproduktion von Wissen zurückgegriffen wird. Prof. Dr. Nina Sturm betont in ihrer Forschung die lösungsunterstützende Funktion von Repräsentationen und stellt fest, dass "dieser Problematik wirkt die Förderung erfolgreich entgegen" (Sturm, 2018). Oftmals fehlen den Lehrkräften praktikable und didaktisch aufbereitete Materialien, um die Zielsetzungen der Standards zu erreichen (Kuzle & Gebel, 2017).
Der Paradigmenwechsel durch KI und die Rolle prozessbezogener Kompetenzen
Die enorm schnelle Verbreitung von Großen Sprachmodellen (LLMs) und anderen KI-Werkzeugen stellt den Mathematikunterricht vor eine notwendige und unumgängliche Transformation. KI-Systeme sind bereits heute in der Lage, "Schema-X Aufgaben" und Routineverfahren effizient und schnell zu lösen. Dies erfordert eine Neubewertung der Lernziele. Die prozessbezogenen Kompetenzen (Problemlösen, Modellieren, Argumentieren, Kommunizieren) werden dadurch noch zentraler für das Fach (Heugl, 2024).
Die Herausforderung liegt nun nicht mehr im routinierten Abarbeiten bekannter Algorithmen, sondern in der Analyse, der Modellbildung und der kritischen Bewertung von KI-Lösungen (Heugl, 2024). Die Konzentration muss sich auf den gesamten Problemlöseprozess verlagern, wie er beispielsweise im von George Pólya stark beeinflussten Forschungsstand beschrieben wird. Pólya geht von der Grundannahme aus, dass die Problemlösefähigkeit gezielt gelehrt und die Übung gesteigert werden kann (Pólya, 1966). Prof. Dr. Ingo Witzke unterstreicht diese Sichtweise, indem er der Auffassung, Mathematik sei fertig, entschieden widerspricht: "Das ist total falsch und von daher würde ich sozusagen diesem diesem dieser Einschätzung auch nicht zustimmen. [...] Mathematik immer was mit Problemlösen zu tun hat, es geht immer darum, neue Lösungen zu neuen Fällen zu entwickeln" (Witzke, 2023).
Fokus auf Heuristik und produktives Lernen
Die Forschung unterstreicht, dass ein problemorientierter Unterricht die systematische Vermittlung von Problemlöseheuristiken und -prinzipien erfordert (Holzäpfel et al. 2018). Dazu gehören Strategien wie Vorwärts- und Rückwärtsarbeiten, In-Teilprobleme-Zerlegen, Darstellungsform wechseln oder das Betrachten von Sonderfällen (Lehrerfortbildung-bw.de, 2017).
Der Einsatz von KI bietet die Chance, dass der Unterricht problemlöseorientierter wird, was eine deutliche Qualitätsverbesserung darstellen würde (Heugl, 2024). Wenn KI die "Trivialisierung" einfacher Rechenschritte übernimmt, kann sich der Lernprozess auf den Weg zur Lösung und deren kritische Reflexion konzentrieren (Heugl, 2024). Ziel muss es sein, dass Kinder mehr durch Problemlösen lernen (d.h. Problemlösen als Mittel zum Erwerb inhaltlicher und prozessbezogener Kompetenzen) und weniger nur das Lösen von Problemen als isoliertes Ziel betrachten. Die Lehrperson sollte dabei die Rolle eines Lernbegleiters übernehmen (Dilling, Witzke et al., 2024). Die Tagung soll daher theoretische Grundlagen und praktische Zugänge diskutieren, wie dieser Paradigmenwechsel im Unterricht – eventuell unter Einbeziehung und Reflexion des KI-Einsatzes – erfolgreich gestaltet werden kann.
Literaturverzeichnis
BIFIE (2011b). Kompetenzbereiche Mathematik 4. Schulstufe. Online verfügbar unter: www.iqs.gv.at/themen/nationale-kompetenzerhebung/grundlagen-der-nationalen-kompetenzerhebung/grundlagen-der-bildungsstandards (Zuletzt geprüft: 15.10.2025).
BMUKK (2012). Lehrplan der 3. Schulstufe. Zit. nach: Problemlösen im Mathematikunterricht (2018).
Bruder, R., Collet, C. (2011). Problemlösen lernen im Mathematikunterricht. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor.
Dilling, F., Pielsticker, F., Schlechtingen, L.-M., Holten, K. & Witzke, I. (2024). Aushandlungs- und Argumentationsprozesse fördern durch den Einsatz generativer KI-Sprachmodelle beim schulischen Mathematiklernen? Erste Einsichten und Perspektiven aus der Empirie (Stand 11/2024). Universität Siegen. Online verfügbar unter: www.uni-siegen.de/fb6/didaktik/personen/felicitas-pielsticker/mgdm_ki_v2.pdf (Zuletzt geprüft: 15.10.2025).
Heugl, H. (2024). Matheunterricht mit/trotz KI?. TI-Unterrichtsmaterialien. Online verfügbar unter: ti-unterrichtsmaterialien.net/fileadmin/DE-Materialien/Mathematik_KI_Heugl_2024.pdf (Zuletzt geprüft: 15.10.2025).
Holland, G. (2007) Geometrie in der Sekundarstufe: Entdecken - Konstruieren - Deduzieren; didaktische und methodische Fragen (3., neu bearbeitet und erweiterte Aufl.). Hildesheim: Franzbecker.
Holzäpfel, L., Lacher, M., Leuders, T., & Rott, B. (2018). Problemlösen lehren lernen: Wege zum mathematischen Denken. Klett Kallmeyer.
Kuzle, A. & Gebel, I. (2017). Problemlösen lernen im Rahmen des Forderunterrichts: Entwicklung von praxisorientierten und theoriegeleiteten Materialien mittels Design-Based Research. Universität Potsdam. Online verfügbar unter: www.uni-potsdam.de/fileadmin/projects/gsp-mathematik/Kuzle_Gebel_2017.pdf (Zuletzt geprüft: 15.10.2025).
Lehrerfortbildung-bw.de (2017). Heuristische Strategien, Prinzipien und Hilfsmittel. Online verfügbar unter: lehrerfortbildung-bw.de/u_matnatech/mathematik/gym/bp2004/fb1/modul9/aufgaben/komp_loes/heurist/ (Zuletzt geprüft: 15.10.2025).
PISA2025 www.iqs.gv.at/downloads/internationale-studien/pisa (Zuletzt geprüft: 15.10.2025).
Pólya, George (1966): Vom Lösen mathematischer Aufgaben. Einsicht und Entdeckung, Lernen und Lehren. Basel u.a.: Birkhäuser (Wissenschaft und Kultur).
Sturm, N. (2018). Problemhaltige Textaufgaben lösen: Einfluss eines Repräsentationstrainings auf den Lösungsprozess von Drittklässlern. Springer Spektrum.
Witzke, I. (2023). Mathematisches Produkt vs. Prozess: Begriffsbildung - Intro MathE Digi.
Allgemeine Hinweise
Die Einreichung von Tagungsbeiträge bis 1. April 2026 erfolgt über mathematik@ph-vorarlberg.ac.at.
Anmeldung zur Tagung (auch ohne Beitrag): ab 1. Juni 2026 mit Angabe der gewünschten Programmpunkte (Do Abend, Fr Vormittag, Fr Nachmittag, Sa Vormittag) unter mathematik@ph-vorarlberg.ac.at.
Teilnahme von Lehrpersonen: Lehrpersonen an Vorarlberger Schulen sollen sich bitte zu den dazugehörigen Veranstaltungen im Fort- Weiterbildungverzeichnis (Tagung mathematische Bildung: Problemlösen im Mathematikunterricht mit oder ohne KI?) anmelden.
Tagungsbegühr: keine
Call als pdf: 2026.09.24_Mathematiktagung_Call for Papers
Informationen zu den Beitragsformaten
Wissenschaftliche Einzelbeiträge
Einzelbeiträge bestehen aus einer 20-minütigen Präsentation. Anschließend stehen 10 Minuten für Rückfragen und die Diskussion der Beiträge zur Verfügung (Gesamtdauer pro Beitrag: 30 Minuten).
Einzureichen sind:
- Titel des Beitrags
- Autor*innen mit institutioneller Zugehörigkeit
- Abstract (max. 400 Wörter, zzgl. Literatur)
- 3 bis 5 Keywords (unabhängig vom Zeichenlimit)
Workshops (Schulpraxis-Forschungs-Werkstatt)
Dieses Format umfasst 90 Minuten. Forscher*innen und/oder Akteur*innen aus der Praxis stellen ihr Projekt und damit verbundene schulpraktische Prozesse/Materialien etc. interaktiv vor.
Einzureichen sind:
- Titel des Beitrages
- Autor*innen mit institutioneller Zugehörigkeit
- Projekt/Anliegen/Problembeschreibung (max. 400 Wörter, zzgl. Literatur)
- 3 bis 5 Keywords (unabhängig vom Zeichenlimit)
Wichtige Fristen und Termine
| Einreichung von Beiträgen über E-Mail | bis 01. April 2026 |
| Zeitraum des Peer-Review-Verfahrens | bis 15. Mai 2026 |
| Rückmeldung zur Beitragsannahme | Mai 2026 |
| Veröffentlichung des Tagungsprogrammes | Juni 2026 |
Tagungsort
Die erste Rheticus Tagung findet in den Räumlichkleiten der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg statt.
Pädagogische Hochschule Vorarlberg
Liechtensteinerstraße 33-37
6800 Feldkirch
Österreich
Feldkirch liegt mitten in den Alpen an der sogenannten West-Ost-Alpen Grenze. Feldkirch ist aber auch eine Grenzstadt im Dreiländereck Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Die deutsche Grenze ist von Feldkirch nur ca. 40 km entfernt. Die Region Vorarlberg ist unter anderem als Tourismusland bekannt (Bodensee, Bregenzerwald, Arlberg, Montafon). Der Herbst ist zum Wandern ideal. Aber auch weltweit bekannte Firmen findet man in Vorarlberg.
Anreise mit dem...
- Zug: Der Bahnhof Feldkirch ist ca. 1 km von der Innenstadt. Zur Pädagogischen Hochschule Vorarlberg sind es 1,7 km . Zu Fuß erreichen Sie vom Bahnhof aus die PH Vorarlberg in etwa 20 Minuten.
Busverbindungen: Linien 11, 14, 401 oder 440
Haltestelle Bahnhof Feldkirch zur Haltestelle Landesgericht (Pförtnerhaus der Stella Vorarlberg).
Haltestelle Bahnhof Feldkirch zur Haltestelle Schulzentrum (PH Vorarlberg) - Auto:
aus Deutschland A14 Richtung Innsbruck, Ausfahrt Feldkirch-Nord
aus Tirol A14 Richtung Bregenz, Ausfahrt Feldkirch-Frastanz
aus der Schweiz bzw. Liechtenstein Grenzübergang Schaanwald-Feldkirch - Flugzeug: Die nächstgelegenen Flughäfen befinden sich in Friedrichshafen (D), Altenrhein (CH), Zürich (CH) und Innsbruck (A).
Bitte zögern Sie nicht, uns mit Ihren Anliegen zu kontaktieren:
mathematik(at)ph-vorarlberg.ac.at
Das Tagungsteam:
Christoph Erath, Silvia Pichler, András Bátkai, Roland Gunesch, Elisabeth Haas,
Josef Mallaun, Elisabeth Ostermann, Patric Pfister, Thomas Schroffenegger,
Gerhard Stadelmann